Der Weg zu einem verträglichen Miteinander
in einer Kirche trotz verschiedener Sichtweisen über Homosexualität
Die anhaltende Debatte über Homosexualität belastet unsere Kirche. Wir glauben aber, dass die Mehrzahl der Pastoren und Laien in unserer Kirche und in der weltweiten Ökumene sich in ihrer Einheit im Glauben und Dienst durch diese Debatte nicht trennen lassen möchte, selbst wenn unterschiedliche Sichtweisen bestehen bleiben sollten.
Die Unterzeichner sehen den Weg in die Zukunft darin, dass wir uns als Methodisten auf das konzentrieren, was uns verbindet. Gleichzeitig soll der Gemeinde vor Ort die Freiheit gegeben werden, ihren je eigenen Weg zu entwickeln, wie sie homosexuell lebende Menschen in die Dienstgemeinschaft einbindet und wie sie zu homosexuellen Trauungen oder Verbindungen steht. Dieselbe Freiheit soll auch für Konferenzen im Hinblick auf die Ordinierten in ihrem Verantwortungsbereich gelten.
Das Problem: jede Menge Spaltpotential
Die Bibeltexte zum Thema Homosexualität werden unter uns Christen unterschiedlich ausgelegt. Die einen sehen im Wort Gottes klar bezeugt, dass die geschlechtliche Gemeinschaft in die Ehe von Frau und Mann eingebunden ist, mit der Bereitschaft, Kinder zu bekommen und eine Familie zu gründen. Sie verstehen praktizierte Homosexualität als Sünde. Die anderen betrachten diese Verse als zeitbedingte Aussagen der Bibel, die im historischen Kontext zu verstehen sind. Manche verstehen es als Treue gegenüber dem Evangelium, Menschen mehr Respekt entgegen zu bringen als einer Buchstabentreue und ihnen darum innerhalb der Kirche dieselben Rechte einzuräumen wie heterosexuell empfindenden und lebenden Personen. Trotz dieser verschiedenen Sichtweisen beten wir alle zum einen Gott, engagieren uns in einer Kirche und setzen uns ein für den Bau von Gottes Reich in dieser Welt.
Je stärker die Auseinandersetzung in unserer Kirche geführt wird, desto mehr sehen wir die Gefahr, dass wir Menschen verlieren und gelähmt sind in unserer eigentlichen Mission.
Was uns verbindet: Ein Herz voll Liebe für die Welt
Eine bestimmte Position in der Debatte um Homosexualität ist kein Merkmal methodistischer Frömmigkeit. Was Methodisten kennzeichnet und verbindet ist zu aller erst ein Herz voller Liebe, die Gott uns im Glauben an Jesus durch den Heiligen Geist schenkt: Ganze Liebe zu Gott und ganze Liebe zu den Menschen.
Was uns Methodisten verbindet ist der Glaube, dass Gott alle Menschen liebt unabhängig von Herkunft, Rasse, Geschlecht oder auch ihrer sexuellen Orientierung. In dieser Liebe ist Hoffnung für alle Menschen.
Wir glauben, dass Gott in Jesus alle Menschen ruft, sich dieser Liebe zu öffnen und dass diese Liebe ganz persönlich erfahrbar ist als Vergebung, Freude, Friede, Sinn und Gemeinschaft. Im Glauben an Jesus und in der Kraft des Geistes kann ein Leben geführt werden, das ganz und gar Gottes Vorstellung und Liebe entspricht.
Weiter glauben wir, dass diese persönliche Glaubenserfahrung immer im Horizont der menschlichen Gemeinschaft gesehen werden muss. Das Evangelium Jesu kennt keine Frömmigkeit außer einer sozialen, keine Heiligkeit außer sozialer Heiligkeit. Christlicher Glaube ist in der Liebe tätig und im geistlichen Gehorsam werden Glaube und Liebe zur Hoffnung für die Welt.
Was Methodisten verbindet ist schließlich ihr gemeinsamer Auftrag, diese Frömmigkeit der Liebe zu verbreiten, »Menschen zu Jüngern und Jüngerinnen Jesu Christi zumachen und so die Welt zu verändern« (VLO Art. 120). Wo sich Gottes Liebe so entfalten kann, eröffnet sie Wege um in einer Kirche zusammen zu leben trotz unterschiedlicher Sichtweisen zum Thema Homosexualität, zur Segnung von homosexuellen Paaren und zur Berufung homosexueller Frauen und Männer in die Mitarbeit und den ordinierten Dienst. Dieses Zusammenleben ist ein Geschenk Gottes, das wir empfangen, wo wir uns seiner Liebe öffnen.
Der Weg zu einem verträglichen Miteinander: Die Gemeinden entscheiden
Nach der Verfassung der Evangelisch-methodistischen Kirche gilt die lokale Gemeinde als die Grundgröße der Kirche (VLO Art. 120). Die Kirche Jesu Christi »begegnet der Welt vor allem auf der Ebene der Gemeinde«. Die Gemeinde hilft »Menschen …, Jesus Christus als Herrn und Retter anzunehmen und zu bekennen, ihr Leben in der Verbundenheit mit Gott zu führen.« Sie »dient den Menschen« und »trägt Verantwortung im Blick auf Evangelisation, Auferbauung und Zeugnis nach innen gegenüber ihren Gliedern und allen ihr Nahestehenden und im Blick auf ihre Sendung nach außen in die örtliche und weltweite Gesellschaft.« (VLO Art. 201-204)
Es widerspricht dem Geist unserer Verfassung, wenn Gemeinden und Gläubige konnexional zu einer bestimmten Sichtweise über Homosexualität gezwungen werden. In allen Fragen, die nicht die Wurzel des Christentums betreffen, sollen wir frei sein zum »Denken und Denken lassen«. Unseres Erachtens gehört die Frage des Umgangs mit Homosexualität im Sinne John Wesleys nicht zu den »Essentials«, also den unaufgebbaren Grundüberzeugungen des
Glaubens, in denen wir uns einig sein sollten, sondern zu den »Opinions« (Meinungen), bei denen trotz eines ernsten Ringens um die Wahrheit unterschiedliche Überzeugungen neben einander stehen können. Gott wird bei einem Leben in der Liebe Jesu durch seinen Geist in der Kirche und in den Gemeinden Wege für ein Zusammenleben eröffnen, trotz Unterschieden in der Sichtweise der einzelnen.
Darum soll die Evangelisch-methodistische Kirche jeden Gemeindebezirk ermächtigen, selbst zu bestimmen, wie er mit homosexuell lebenden Menschen im Dienst umgeht, und ob er homosexuelle Trauungen oder Verbindungen erlaubt. Dabei gelten für homosexuelle Partnerschaften dieselben Verpflichtungen im Blick auf Treue und Verantwortung wie für die Ehe von Mann und Frau.
Weiter soll die Kirche Jährlichen Konferenzen oder Zentralkonferenzen erlauben, zu bestimmen, ob sie Frauen und Männer ordiniert, die in homosexuellen Partnerschaften leben. Wir halten am Sendungsprinzip fest, respektieren und berücksichtigen aber bei Dienstzuweisungen die Überzeugungen von Gemeindebezirken und homosexuell lebenden kirchlichen Mitarbeitern.
Die Unterzeichner sind überzeugt, dass dieser Weg der Beste ist, um eine der schwierigsten Herausforderungen für unsere Kirche in der Gegenwart im Sinn der Liebe Jesu zu lösen. Wir denken, dass unsere kirchliche Verfassung durch ihr Verständnis von Gemeinde die wichtigste Voraussetzung für diesen Weg bereits geschaffen hat.
Dieser Vorschlag möchte eine Richtung zeigen und muss von den entsprechenden Gremien im Blick auf kirchenrechtliche und praktische Fragen ausgearbeitet werden. Wir sind gewiss: Wo wir erfüllt sind von Gottes Liebe für die Welt, ertragen wir uns mit unseren unterschiedlichen Meinungen und eröffnen uns gegenseitig einen Weg, der ein Leben als eine Kirche zulässt, trotz unterschiedlicher Sichtweisen über Homosexualität.
Matthias Kapp, Reiner Stahl, Christine Flick, Guntram Hepperle, Eberhard Schilling
Juli 2014
im Anschluss an einen Vorschlag zum Thema von Adam Hamilton und Mike Slaughter in: »A Way Forward for a United Methodist Church«